Ein Wochenende im Burgund
Es begann mit einem Wegweiser, auf dem diverse Fotos von gotischen Kirchen abgebildet waren. Ort und Zusammenhang weiß ich nicht mehr, aber wahrscheinlich war die Burgunder Kathedrale als Vorbild für eine örtliche Kirche genannt. Ich dachte allerdings nach einem flüchtigen Blick über die Fotos, die Kirche stünde in der Nähe unseres damaligen Aufenthaltsortes. War nicht aber nicht so.
Eigentlich hatte ich das Thema erstmal abgehakt, bekam aber zum 30. Geburtstag ein Baedeker-Buch über das Burgund, verbunden mit dem Hinweis, wir würden da mal zusammen hinfahren.
Jahr sollte es eigentlich ein Geburtstagswochenende in den Niederlanden geben, das aber spontan in Burgund umgemünzt wurde.
Nach einem Termin in Darmstadt sind wir also nicht wieder nach Hause, sondern in die Gegenrichtung gefahren. Irgendwann am späten Abend kamen wir in Auxerre an. Unser historische eingerichtetes Hotelzimmer (angegeben war „Empire“) stellte sich als plüschiges Puppenhaus heraus. Ich konnte es mir nicht verkneifen, die Wände zu streicheln.
Da die Plüschviecher sich nach der langen Autofahrt (mindestens fünf Stunden ab Darmstadt, eher mehr) die Beine vertreten mussten, sind wir in Richtung der Altstadt losgetigert. In einem Gässchen haben wir ein Lokal entdeckt, das eigentlich schon geschlossen hatte, aber uns aufgrund unserer schönen Hunde doch noch etwas Alkoholisches ausgeschenkt hat. Die radebrechende französische Verständigung kippte irgendwann doch ins Englische, was zumindest für mich den Vorteil hatte, dass ich die Leute verstand. Neun Jahre Schullatein sind nicht vergebens, aber um schnell sprechende Franzosen zu verstehen, reicht es trotzdem nicht.
Nach diversen Gläsern Bier, das für mich diesmal erstaunlich wenig schrecklich schmeckte, und einem Tipp für ein regionales Weingut, das wir unbedingt besuchen sollten, haben wir uns auf die Suche nach unserem Hotel gemacht. Wenn ich zu viel getrunken habe, kann ich mir leider dabei zugucken, wie meine motorischen Fähigkeiten inklusive jeglicher Reaktionsfähigkeit versagen, mein Kopf aber leider völlig klar ist. Ich erinnere mich daher sehr gut daran, wie wir kichernd auf dem beleuchteten Vorplatz der örtlichen Kathedrale saßen und über Architektur philosophiert haben.
Um es abzukürzen: Wir haben den Weg nach Hause gefunden, allerdings in Teilen unterstützt von Google Maps. „In Teilen“ deshalb, weil wir die Adresse des Hotels nicht parat hatten.
Am nächsten Morgen ist mein Partner morgens mit den Viechern losgezogen und hat den lokalen Markt unsicher gemacht. Mitgebracht hat er Unmengen von Käse, Brot und Früchten. Das Mittagessen erfolgte daher als Picknick am begrasten Ufer der Yonne.
Aufgrund der hochsommerlichen Temperaturen haben wir die Pelzdinger vorher zur Abkühlung baden geschickt, so dass sie entspannt neben uns im Gras liegen konnten. Wobei „entspannt“ relativ ist. Es sind gierige Fressmonster – wenn wir etwas essen, wollen sie auch etwas haben und fordern mit unmissverständlichem Augenaufschlag ihren Anteil. Man könnte auch sagen, sie würden einem das Essen aus dem Mund weggucken.
Nach dem Mittagspicknick sind wir zunächst weiter am Fluss entlanggelaufen und dann wieder in die Altstadt aufgestiegen.
In der ehemaligen Abtei St. Germain ist auch das archäologische Museum der Stadt Auxerre untergebracht. Man kann dabei ausgebuddelte Fundamente neben und unter Laufgittern betrachten. Ist schön gemacht, leider konnten wir nur im Eilverfahren durchgehen. Ungewohnt für jemanden, der zweieinhalb Jahre tageweise in nasskalten Kirchen gestanden und sich mit Details des Wandaufbaus usw. beschäftigt hat. Aber so bleibt noch was zum genaueren Gucken beim nächsten Besuch übrig.
An unser Puppenhauszimmer schloss sich seitlich ein langes, schmales Badezimmer an. An dessen Ende war der ideale Telefonplatz zu finden – und die Plüschkinder genossen die kühlen Fliesen.
Vor der angeleuchteten Westfassade der Kathedrale haben wir in der ersten Nacht gesessen. Am Tag sah diese Kirche noch ein bisschen toller aus:
Am Samstag sind wir über beschauliche Landstraßen nach Süden gefahren. Der erste Halt erfolgte bei einem Markt mit vier oder fünf Ständen in irgendeinem Dorf. Bepackt mit fleischigem Proviant (drei der vier Reiseteilnehmer waren sehr daran interessiert, nur ich nicht) wurde die Reise fortgesetzt. Der nächste Halt fand in Vézelay statt. Kirchen angucken.
Von einem abgelegenen und äußerst teuren Parkplatz aus konnte man die mit touristischen Attraktionen (Wein, Eis, Restaurants, Galerien, …) flankierte Hauptstraße zur Kirche hinaufgehen:
Da wir die Hunde nicht unbeaufsichtigt anbinden wollten, sind wir einzeln in die Kirche gegangen. Die geräumige Vorhalle beherbergt ein Portal, das Schaulustige als willkommenes Fotomotiv angenommen haben. Hatte kurz überlegt, ob ich die Fotografierenden beim Fotografieren der Toranlage fotografieren sollte…kam mir dann aber doch zu albern vor.
Der Innenraum der Kirche ist lichtdurchflutet und überhaupt ganz toll. Ich bin ein großer Freund der Backsteingotik, aber hier gefallen mir die behauenen Steine mal wirklich gut:
Ein wunderbarer Raumeindruck, auch in den Seitenschiffen der Basilika:
Ein gotischer Wandaufbau wie aus dem Lehrbuch:
Hier ein verschwommener Blick in die frei zugängliche Krypta:
Der Chorumgang:
Ein Blick durch das romanische Langhaus nach Westen:
So schön!
Ich habe die Kirche durch eine Seitentür verlassen, um mir die südliche Fassade anschauen zu können:
Mal wieder ein Turm ohne Mützchen:
Scheff macht Mittagspause:
Die drei Männer warten auf den Stufen vor der Kirche, bis ich meinen Besichtigungsrundgang abgeschlossen habe.
Hochchor mit Kapellenumgang von außen gesehen:
Hinter der Kirche gibt es eine großzügige Parkanlage, die manch einer zum Meditieren nutzt…und manch anderer, um sich herzhaft im Grad zu wälzen.
Der Park wird von einer Mauer umschlossen, von der aus man einen weiten Blick über die Landschaft um Vézelay genießen kann:
Nachdem wir die Touristenmeile wieder abwärts gelaufen waren und die durstigen Vierbeiner am Parkplatz ausgiebig getränkt hatten, ging es über zahlreiche landschaftlich äußerst reizvolle Umwege wieder zurück nach Auxerre, wo wir uns abends den Bauch in demjenigen Lokal vollgeschlagen haben, das uns am ersten Abend zu so später Stunde noch abzufüllen bereit gewesen war.
Eigentlich wollten wir zur Feier des Tages ein Degustationsmenü im benachbarten Restaurant probieren, aber dort konnte man nicht im Freien sitzen und außerdem hatten wir beide keinen Appetit darauf.
Nach unsäglicher Völlerei (ich erinnere mich besonders an Käsekartoffel, Schokoladenmuß und eigenwilliges Bier) sind wir ins Hotel zurückgeschlendert.
Für Sonntag war bereits die Rückreise angesetzt, allerdings mit Zwischenhalt. Der erste fand in Pontigny statt, wo ich endlich mal eine frühe Cluny-Filiation (eine der ersten vier von Cîteaux) aus der Nähe sehen konnte. Das Wetter war leider nicht für fotografische Aufnahmen geeignet, daher gibt es kein Bild von der Westfassade.
Kunstvoll geschnitztes Chorgestühl:
Beim Betreten des Friedhofs fühlte ich mich plötzlich wie in einem Anne-Rice-Roman.
Es streiften aber leider keine Vampire umher.
Vom Friedhof aus konnte man die Choranlage der Primarabtei betrachten:
Faszinierende Grabanlagen:
Nach dem Blitzbesuch in Pontigny ging es mit den letzten Tropfen Diesel bis über die deutsche Grenze (wir setzen uns manchmal seltsame Ziele, die wir erreichen wollen), bis Trier hat es aber nicht mehr gereicht. Wir haben einige Kilometer vorher getankt.
In Trier habe ich endlich mal die Porta Nigra angeschaut und den Innenhof vom benachbarten Simeonstift ebenfalls. Im Museums waren wir aber aus Zeitgründen nicht.
Stattdessen haben wir uns in rund einer Stunde die Altstadt erlaufen, waren kurz im Dom und noch kürzer in der Konstantinbasilika, bevor wir uns wieder ins Auto gesetzt und die letzten paar hundert Kilometer bis nach Münster zurückgelegt haben. Am nächsten Tag sollte schließlich schon wieder gearbeitet werden. 🙂
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